Roma im Kosovo und Serbien

Unwillkommen und abgedrängt an den Rand der Gesellschaft

 

Einleitung

Eines fällt besonders auf bei unseren Besuchen verschiedener Roma-Familien in Serbien und Kosovo: niemand hat eine feste Arbeitsstelle. Manche schlagen sich täglich mit Gelegenheitsjobs durch oder sind angewiesen auf spärlich fließende Hilfszahlungen von Verwandten im Ausland. Eine Planungssicherheit, die Perspektiven und Aufstiegsmöglichkeiten ermöglichen würde, gibt es nicht. Roma unterscheiden sich äußerlich meist von der Mehrheitsbevölkerung und sind daher leicht als Roma zu erkennen. Dies führt dazu, dass ihnen Diskriminierungen in jedem Bereich des Lebens begegnen, sei es bei der Arbeitssuche, beim Arzt, Schulbesuch oder Behördengängen. Als Roma können sie immer damit rechnen, dass sie ihr Gegenüber als „Mensch zweiter Klasse“ betrachtet und dies auch zu spüren gibt … Bis hin zu körperlich gewalttätigen Attacken auf offener Straße. Aufgrund der allgemeinen Akzeptanz von Rassismus und weit verbreiteter Roma-Feindlichkeit in der Gesellschaft Kosovos und Serbiens haben Roma in solchen Fällen kaum eine Chance sich zur Wehr zu setzen und Unterstützung zu bekommen. Dies schließt sogar die Polizei mit ein! Es gibt zahlreiche Berichte von Roma, die von der Polizei grundlos, oder auf einen unbestätigten Verdacht hin misshandelt wurden oder deren Anzeigen ins Lächerliche gezogen und nicht angenommen wurden. So bleiben Körperverletzungen oder der Betrug um Arbeitslöhne gegenüber Roma oft ohne Folgen für die Täter.

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Auch unser Team kann von der Willkür der kosovarischen Polizei gegenüber Roma aus eigener Erfahrung berichten. Ihr Vater wurde wegen “Kindesentführung” zu 4 Jahren Gefängnis verurteilt.

 

Wir haben von den Familien, die wir besuchen konnten, mehrfach Berichte über polizeiliche Willkür und Schikane erhalten und mussten sogar selber erleben, wie es ist in einer Gruppe mit drei Roma unterwegs zu sein. Kaum hatte unser erster Tag im Kosovo begonnen, wurden wir nach dem Frühstück auf offener Straße ohne ersichtlichen Grund festgenommen. Man hielt uns mehr als 5 Stunden fest, kontrollierte unsere Pässe immer wieder, durchsuchte unser gesamtes Gepäck und befragte uns ausgiebig zu unseren Verhältnissen zueinander. Hierbei konnte es sich der befragende Polizist nicht verkneifen mehrere nationalistische und romafeindliche Kommentare zu machen und eine bedrohliche und schikanöse Atmosphäre aufzubauen. Als es bereits anfing dunkel zu werden, ließ man uns wieder frei, ohne dass die Festnahme zu irgendeinem Ergebnis geführt hätte. Am Folgetag wurde unsere Gruppe übrigens wieder grundlos festgenommen. Dieses Mal hatten wir aber Glück, da wir bereits nach einer halben Stunde wieder gehen durften. Es war schon später Abend.

Eine Familie, die erst vor wenigen Wochen abgeschoben wurde, berichtet von einer kompletten Hausdurchsuchung (wegen angeblichen Verdacht auf Waffenbesitz) durch schwer bewaffnete Polizisten. Auch hier blieb die Durchsuchung ohne Ergebnis, wenn man davon absieht, dass die ganze Familie seit dem zutiefst verängstigt ist, und vor allem die sechs Kinder zwischen 9 bis 20 Jahren mit diesen belastenden Erlebnissen zusätzlich zum Erlebnis der Abschiebung kaum umgehen können.

Ein anderer Familienvater, der auch 2011 abgeschoben wurde, berichtet uns mehrmals auf der Straße von seinen Nachbarn bedroht worden zu sein. Seine Anzeige bei der Polizei blieb ohne jede Folge, so dass er jetzt kaum noch das Haus verlässt, und die Kinder von Freunden zur Schule gebracht werden, weil auch seine Frau Angst hat raus zu gehen. Sie sagen, sie fühlen sich wie im Gefängnis.

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Fushe Kosova: Kosovos größte noch existierende Romasiedlung. Romasiedlung bei Gjakova direkt an einer Müllkippe.

 

Allgemein fiel bei den Interviews mit einheimischen also nicht abgeschobenen Roma auf, dass zuerst Antworten kamen wie: „Ich fühle mich sicher und habe keine Probleme mit Diskriminierung“, sich aber später im Verlauf des Gesprächs herausstellte, dass sich diese empfundene Sicherheit nur auf das jeweilige, ausschließlich von Roma bewohnte, Mahala bezog. Auf unsere Nachfrage, ob sie sich auch außerhalb des Mahalas sicher fühlen und keiner Diskriminierung begegnen würden, haben viele in den meisten Fällen überrascht reagiert. „Natürlich, wenn ich raus gehe, gibt es die üblichen Beschimpfungen und manchmal auch Schläge.“ Für diese Menschen ist die Diskriminierung außerhalb des Mahalas offensichtlich schon so selbstverständlich, dass sie sie nicht für erwähnenswert halten und vermeiden, indem sie die Mahalas nicht verlassen.

Auch was den Schulbesuch der Kinder betrifft, gibt es zahlreiche Probleme. Drei von vier Roma-Kindern gehen im Kosovo nach einer Abschiebung nicht weiter zur Schule. Die von uns besuchten Familien berichten, dass die Kinder helfen müssen Geld zu verdienen, oder dass die Schulausrüstung für die Eltern unbezahlbar ist. Manche Kinder haben auch einfach Angst vor Schikanen durch Lehrer oder Mitschüler und bleiben lieber den ganzen Tag zu Hause. Bei abgeschobenen Kindern, die in Deutschland aufgewachsen oder sogar zur Welt gekommen sind, kommt noch erschwerend hinzu, dass diese meist weder Serbisch noch Albanisch sprechen und so keinen Anschluss an den Schulunterricht finden können.

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Eine Familie in Plementina in … … und vor ihrer selbstgebauten Hütte

 

Die Wohnverhältnisse der Roma-Familien sind meist menschenunwürdig einfach und beengt. Viele Familien können sich nur die Miete für die billigsten Wohnungen leisten oder leben in verlassenen Ruinen oder selbst gebauten Baracken. Oft sind die Behausungen feucht, verschimmelt und nicht witterungsfest. Viele Roma leben immer noch in maroden Flüchtlingslagern, mehr als 10 Jahre nach dem Krieg und ihrer Vertreibung. Häufig leben alle Familienmitglieder, von den Eltern über die Oma bis hin zu den Enkelkindern und Schwiegertöchtern in einem einzigen Zimmer leben. Teilweise schlafen bis 11 Menschen in einem Raum von kaum mehr als 20 m2, ohne jede Privatsphäre. Auch Badezimmer sind Luxus! Wasseranschluss und Toiletten befinden sich meist im Freien. Besonders im Winter ist dies eine Zumutung, die sich die meisten in Deutschland lebenden Menschen kaum vorstellen können. Warmes Wasser muss auf dem Herd erhitzt werden. Das hierfür, sowie fürs Kochen und Heizen, benötigte Brennholz kostet zwischen 40-50€ pro m3 und stellt für die Familien eine enorme finanzielle Belastung dar. Bei Temperaturen um -20 °C recht so ein m3 gerade Mal für eine Woche, so dass viele gezwungen sind zu frieren oder auf Plastikmüll zurückgreifen.

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Waschgelegenheit … im Freien

 

Zu essen gibt es meist nur das Billigste – Brot, Kartoffeln und Bohnen. Frisches Obst, Fleisch oder Süßigkeiten gibt es nur in Ausnahmefällen. Auch die medizinische Versorgung ist stark eingeschränkt. Zwar wissen die meisten chronisch Kranken welche Krankheiten sie haben und welche Medikamente sie benötigen, können diese aber nicht, oder nicht immer, bezahlen. Gelegentlich ist ein Arztbesuch kostenlos, meistens allerdings werden Beträge zwischen 5 bis 10 € für eine einfache Untersuchung verlangt. Bei anspruchsvollen Untersuchungen, etwa durch einen Spezialisten, ist es auch schnell DEUTLICH mehr. Zu den Kosten für den Arzt und die Medizin kommen häufig noch Fahrtkosten hinzu, die für viele Familien auch kaum zu tragen sind.

Reisebericht

Kosovo

Nach mehreren Tagen Fahrt über Österreich, Ungarn und Serbien kommen wir mitten in der Nacht in Priština an. Bis auf einen defekten Kühler und aggressive ungarische Zöllner hinter der ungarischen Grenze gab es keine Probleme auf der Reise.

In Priština besuchen wir als erstes unseren Freund Kefaet, den wir schon von unseren vorherigen Besuchen kennen, und der uns für die Zeit unseres Aufenthaltes begleiten möchte. Wir sitzen müde und erschöpft noch etwa eine Stunde zusammen und besprechen unsere Pläne. Dabei ist es in der Wohnung so kalt, dass keiner von uns sich traut seine Jacke oder Mantel auszuziehen. Die eilig für uns aufgestellten Elektroheizlüfter und heißer Tee helfen da so gut wie gar nicht. Die Kälte sitzt im Boden und strahlt aus den Wänden. Er lädt uns ein, bei ihm zu wohnen, solange wir in Priština sind und hat sogar schon Schlafplätze für uns vorbereitet. Aber angesichts der Kälte, die uns mittlerweile bis in die Knochen zieht, entschuldigen wir uns und entscheiden uns für ein warmes Zimmer in einem nah gelegenen Hostel. Dort angekommen lassen wir als erstes warmes Wasser über unsere blau gefrorenen Zehen fließen.

Tag 1

Gracanica

Nachdem wir den Tag in verschiedenen Polizeiwachen verbracht hatten, und es bereits dunkel ist, fahren wir nach Gracianica. Hier gibt es ein Roma-Wohnviertel, in dem auch einige Abgeschobene Familien leben. Der Schnee liegt hoch und die letzten Kilometer geht es auf unbefestigten Straßen einen kleinen Hügel hinauf.

Familie H.

Der Familienvater Arsim H. hat seit 1992 in Deutschland gelebt, seine Frau kam 2003 dazu. Die beiden konnten wegen fehlender Papiere nie offiziell heiraten. Auch hier im Kosovo haben sie keine Papiere. In November 2010 wurden sie mit ihren vier kleinen Kindern (5,4, 3 und 1) abgeschoben. Die Kinder, bis auch das Jüngste, sind in Deutschland geboren. In Deutschland sind auch alle ihre nahen Verwandten und der Rest der Familie.

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Nur das Nötigste konnte an dem Haus repariert werden. In Deutschland geboren …

 

Frau Samella H. kann weder lesen noch schreiben, und wegen fehlender Geburtsurkunden für die Kinder wird auch für diese eine Einschulung problematisch. Herr H. ist seit der Abschiebung arbeitslos, aber die Familie hatte Glück im Unglück. Sie konnten das Haus einer Tante beziehen, das bis dahin von einer serbischen Familie bewohnt wurde. Der Zustand des Hauses war sehr schlecht, aber Herr H. konnte drei Räume bewohnbar machen. Im Haus gibt es ein kleines Bad und die Möglichkeit mit Strom warmes Wasser zu erzeugen. Möbel haben sie von URA II bekommen. Die Familieangehörige aus Deutschland schaffen es außerdem einigermaßen regelmäßig 100€ an die Familie zu schicken. Von diesem Geld müssen sie dann leben. Andere Einnahmequellen gibt es für sie nicht. Besonders schwierig ist das jetzt im Winter, wenn viel geheizt werden muss. Das Brennholz können sie sich kaum leisten, weswegen die Familie in der kalten Jahreszeit nur in einem der drei Zimmer lebt, um für die anderen beiden die Heizkosten zu sparen. Das Zimmer, in dem sie leben und schlafen, ist knapp 20 m2 groß. Auch wenn die Kinder mal krank werden und zum Arzt müssen, haben sie Probleme die Kosten hierfür aufzubringen.

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10 Personen in einem einzigen feuchten Raum … … ohne Fenster.

 

Familie M.

Nach unserem Besuch bei der Familie H. geht es weiter zu Familie M. Dort erwartet uns der erste Schock. 10 Personen (Eltern, Kinder und Enkel) teilen sich hier ein einziges Zimmer von etwa 25 m2 in einem total zerfallenen Haus. Die Wände sind schief und verschimmelt, das Dach ist undicht und mit Plastikplanen geflickt, der Boden besteht aus der blanken Erde, auf die ein paar Teppiche und alte Decken gelegt wurden, die voll gesogen sind mit Kälte und Feuchtigkeit. Es gibt kein Fenster, und nur eine einzige schwache Glühbirne sorgt für etwas Licht. Es gibt kein Wasser in diesem Haushalt. Wenn sie Wasser brauchen, bekommen sie dieses von den Nachbarn. Auch eine Toilette gibt es nicht. Alle müssen sich draußen im Freien waschen oder „aufs Klo“. Das Haus gehört ihnen nicht. Sie haben es nur besetzt, da es leer stand. Sollte irgendwann der eigentliche Besitzer auftauchen, fürchten sie die völlige Obdachlosigkeit. Der Vater und die älteren Söhne versuchen so weit möglich mit Gelegenheitsjobs Geld zu verdienen. Wenn es Arbeit gibt, haben sie dann etwas Geld, wenn es gerade keine Arbeit gibt, haben sie auch kein Geld. Sozialhilfe bekommt die Familie nicht. Die Papiere der sieben Kinder sind aus Serbien, weswegen eine Anmeldung zur Schule nicht möglich ist.

Familie C.

In der Nachbarschaft besuchen wir anschließend Familie C., die in einem fremden Haus lebt, und als Gegenleistung für den Besitzer dieses pflegen muss. Das Haus in dem sie leben hat zwei Zimmer, einen Wasseranschluss (kalt) im Haus hat Herr C. selber eingebaut. Eine Waschgelegenheit und Toilette gibt es draußen. Geheizt und gekocht wird mit einem alten Holzofen. Wegen der Brennholzkosten leben auch sie momentan nur in einem Zimmer. Auch Herr Fatun C. schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch um sich, seine Frau und die vier Kinder zwischen 5 bis 13 zu ernähren. Er gibt an, dass er pro Job 5 -10 € bekomme, wenn er denn einen finde. Wenn es mal kein Job gibt, kann er auch kein Geld mit nach Hause bringen. Vor allem jetzt im Winter sagt er, sei es sehr schwierig etwas zu finden, so dass er momentan praktisch gar kein Geld hat. Bis vor einem Jahr bekam die Familie noch Sozialhilfe, aber weil die jüngste Tochter mittlerweile älter als fünf Jahre alt ist, wurde diese gestrichen. Die älteren Kinder gehen zur Schule, aber weil es kein Geld für Bücher und andere Materialien gibt, teilen sich die Kinder diese mit den Nachbarn. In der Schule bekommen die Kinder auch eine gesundheitliche Basisversorgung und Impfungen. Herr C. hat manchmal Herzprobleme, kann sich aber keine Behandlung leisten.

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nur Geduldet … … in einem vorübergehend vom Eigentümer ungenutzten Haus

 

Tag 2


Plementina

In Sicht- und Riechweite zu dem Kohlekraftwerk KosovaB liegt an der Straße nach Plementina ein Roma-Wohngebiet. Hier gibt es zwei baufällige Hochhäuser in denen Roma-Familien untergebracht wurden. Vor einem Jahr hat es hier gebrannt, und es sind noch immer nicht alle Wohnungen wieder belegt. Um die Hochhäuser herum stehen noch zahlreiche selbstgebaute Hütten, von Roma, die noch keine Wohnung bekommen konnten.
Familie Cowaj

Die Familie hat nach ihrer Vertreibung aus Pec fünf Jahre in Deutschland geduldet gelebt und wurde 2010 abgeschoben. Für sechs Monate haben sie nach ihrer Abschiebung die Wohnung für 10€ pro Monat bezahlt bekommen. Die Bedingungen in dem Hochhaus sind menschenunwürdig. Es gibt weder funktionierende Badezimmer, noch Toiletten oder fließendes Wasser im Haus. Nur im Hof draußen gibt es kaltes Wasser. In den Fluren des Hochhauses riecht es streng nach Urin. Die achtköpfige Familie lebt in einem Zimmer von etwa 15 m2 , das mit einem Holzofen beheizt wird. Der Vater hat keine geregelte Arbeit, und es gibt keinerlei staatliche Unterstützung. In Deutschland hatte der Vater Arbeit bei einem Paketzusteller. Hier muss er mit Gelegenheitsjobs zurechtkommen, für die er meist 5€ am Tag bekommt. Die älteren Kinder sind in Deutschland zur Schule gegangen. Hier im Kosovo haben sie Angst und sprechen auch nicht die albanische Sprache, die hier gesprochen wird. Sie gehen nicht mehr zur Schule. Auch verlassen sie nicht das Gebiet der Wohngegend, da sie sonst schnell Schläge bekommen, was besonders den Kindern schon oft passiert sei.

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10€ Miete für ein Zimmer in einem maroden Hochhaus ohne funktionierende Wasserleitungen? Selbst das ist für viele hier noch zu viel: Selbstgebaute Hütten zwischen den Hochhäusern

 

Es gibt nur die billigsten Lebensmittel zu essen. Selbst gebackenes Brot, Kartoffeln und Bohnen. Der Großteil der Angehörigen der Familie lebt in Deutschland. Nur seine Schwester lebt auch im Kosovo.
Preolitze

Nach unserem Besuch in Plementina fahren wir weiter in ländliche Gegenden. Hier sieht man noch viele zerstörte Häuser.

Familie Gilgish

Herr und Frau Gigish leben mit ihren vier Kindern (8, 14, 16 und 18 Jahre alt), der Ehefrau ihres ältesten Sohnes und ihrem kleinen Enkel (1 ½ Jahre) in zwei kleinen Holzcontainern, die gegen die Nässe mit blauer Plastikplane bespannt sind. Trotzdem gelangt die Feuchtigkeit hinein und es schimmelt. Jeder Container, gespendet vom UNHCR, hat eine Größe von ca. 15 m2. Die Räume werden mit Holz beheizt und es gibt drinnen weder fließendes Wasser noch eine Waschgelegenheit. Draußen gibt es einen Wasserhahn, aber eine Toilette sucht man auch hier vergeblich. Gekocht und geheizt wird mit einem kleinen Holzofen. Auf dem Grundstück steht auch ein unbewohnbar zerfallenes Haus, das aber nicht der Familie gehört. Sie dürfen nur auf dem Grundstück leben. Mittel das Haus wieder aufzubauen haben sie nicht.

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Eine klapperige Baracke statt Hilfe beim Hauswiederaufbau oder eine feste Arbeit.

 

Die Familie bekommt 55 € Sozialhilfe pro Monat. Keiner hat eine Arbeit. Vor dem Krieg arbeitete Herr Gilgish sechs Jahre lang als Lehrer für Geschichte in einem Gymnasium. Nur die 14-jährige Tochter geht momentan zur Schule.

Arztbesuche sind für die Familie kostenlos, nicht aber die benötigten Medikamente. Herr Gilgish ist krank und kann uns genau die Namen seiner benötigten Medikamente nennen. Bezahlen kann er sie aber nicht.

Tag 3

Stimli: Treffen mit Ibrahim Demiri

Der zuständige Sachbearbeiter des Büros für Rückkehrer Wiedereingliederung in der Stadt Stimli redet offen mit uns und erklärt, dass es zahlreiche Probleme bei der Wiedereingliederung von Rückkehrern gibt. Insbesondere, in der Befristung der Hilfe auf ein halbes Jahr und das Fehlen von langfristigen Beschäftigungsperspektiven sieht er als Hindernisse an, hier Menschen ein Leben zu ermöglichen, das über die Stillung der notwendigsten Grundbedürfnisse hinaus geht. Auch mangele es an Wohnraum, um die Familien unterzubringen. Nach seiner Ansicht ist Kosovo nicht in der Lage die Roma, die aus Deutschland abgeschoben werden sollen, aufzunehmen und sollte dies auch nicht vertuschen.
Fushe Kosova

Am dritten Tag besuchen wir die wohl größte noch existierende Roma-Siedlung Kosovos, in Fushe Kosova nahe einer Eisenbahnstrecke. Mehrere tausend Roma sollen hier leben. Als wir von der Straße in eine holprige Gasse abbiegen, geraten wir mitten in eine Traube von Menschen, die sich vor einem Gebäude gebildet hat. Die Menschen warten hier auf die Ausgabe von Lebensmitteln, die hier von einer Hilfsorganisation verteilt werden sollen. Als wir einige Stunden später wieder vorbei fahren, und es schon dunkel ist, stehen die Menschen immer noch an.

Familie Gashi

Diese Familie lebte 5 Jahre in Deutschland und wurde 2011 abgeschoben. Der Vater schlägt sich und seine achtköpfige Familie (er, seine Frau, vier Kinder und seine Mutter) mit Gelegenheitsjobs durch. Sie bekommen keine staatliche Unterstützung und bekamen auch keine Hilfe für den Neustart im Kosovo.

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20€ Miete für ein Zimmer in einem zerfallenen Häuschen. Dieses Baby ist eine Hausgeburt weil das Geld für einen Arzt fehlte

Die Familie braucht 300€ im Monat um einigermaßen über die Runden zu kommen. Es kommt aber selten vor, dass der Vater es schafft so viel zu verdienen. Manchmal sind es auch nur 100€ im Monat. Dann ist die Familie auf mitleidige Nachbarn angewiesen, die mit etwas essen aushelfen, aber viele in ihrer Nachbarschaft sind selber so arm wie sie. Vor allem hat der Vater in solchen Monaten Angst, dass er einmal nicht schaffen könnte die 20€ für die Miete des etwa 20 m2 großen Zimmers, in dem baufälligen Haus zu bezahlen. Es gibt kein fließendes Wasser oder eine Waschgelegenheit im Haus. Nur draußen im Freien gibt es einen Wasserhahn mit kaltem Wasser.

Als wir diese Familie treffen hat die Mutter gerade ein Baby zur Welt gebracht. Zuhause! Es ist schwer vorstellbar, wie dies unter diesen Umständen möglich ist. Gott sei Dank, ist das kleine Mädchen gesund und auch die Mutter wohlauf! Während der gesamten Schwangerschaft war sie nicht beim Arzt, weil ihrer Familie das Geld fehlte. Auch wenn jemand in der Familie krank wird, sind sie oft auf die Hilfe von Nachbarn angewiesen, weil sie nicht Arztbesuch und Medikamente alleine bezahlen können.

Tag 4

Priština

Bei unserer Fahrt durch Pristina fällt auf, dass es kaum noch kaputte Häuser gibt, wie noch bei unserem Besuch 2010. Auch im ganzen Land gibt es mittlerweile weit weniger Ruinen, dafür aber zahlreiche Neubauten. Viele davon im luxuriösen Still. Hier in Pristina sind es, vor allem, Shoppingcenter und schicke Apartmenthäuser, die sich nun auch dort erheben, wo vorher einmal die Ruinen von Roma-Häusern standen. Wir haben mehrere Berichte von Roma, die trotz belegbarer Besitzansprüche an ihre Häuser, keine Chance hatten, diese geltend zu machen. Sie scheiterten an Korruption und gefälschten Dokumenten der neuen Besitzer. Angesichts der kriminellen Wirtschaftsstrukturen, die Kosovo tief durchdringen, beginnt man sich beim Anblick der ganzen neuen Prachtbauten zu fragen, wo das Geld hierfür herkam und bekommt ein ungutes Gefühl …

Sebilje Begani und Gani Rama

Sebilje Begani kam bereits 1990 nach Deutschland. Hier lernte sie ihren Mann kennen und alle ihre vier Mädchen (2, 3, 4 und 6 Jahre alt) kamen hier zur Welt. Dies, obwohl sie und ihr Mann sich offiziell gar nicht sehen durften, da Sebilje in Torstedt lebte und ihr Mann in Göttingen, und beide der Residenzpflicht unterlagen. So schreckte man auch nicht davor zurück, die junge Familie zu trennen, als man im Januar 2010 Gani Rama verhaftete und alleine Kosovo abschob.

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Familie Begani in ihrer Wohnung ein Zimmer, Küche, Bad für sechs monate von URA II bezahlt

 

Im Kosovo erging es Gani Rama sehr schlecht. Er wurde obdachlos und wurde mehrmals verprügelt. Es gelang ihm nach mehreren Monaten illegal nach Deutschland wieder einzureisen, jedoch bevor er seine Familie wieder sehen konnte, wurde er in Bayern aufgegriffen. Er sollte in Abschiebehaft gebracht werden, aber mittlerweile war sein Gesundheitszustand so schlecht, dass er nicht mehr im Gefängnis bleiben konnte, sondern wegen lebensbedrohlicher Tuberkulose in ein Spezialkrankenhaus eingeliefert werden musste. Dort blieb er mehrere Monate in stationärer Behandlung und konnte daher nicht abgeschoben werden. In der Zwischenzeit, am 12. April 2011 wurde Sebilje mit ihren vier Töchtern alleine abgeschoben. Als quasi allein erziehende Frau mit vier kleinen Mädchen musste sie so im Kosovo mehrere Monate zurechtkommen. Unterstützung bekam sie in dieser Zeit nur über Spenden, die für sie gesammelt wurden. Später im Juli folgt auch die Abschiebung von Gani Rama nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus. Seit dem ist die Familie zumindest wieder vereint. Eine bessere Perspektive haben sie dadurch aber nicht im Kosovo.

Alle weiteren Familienangehörigen sind noch in Deutschland. Sebiljes Bruder hat sogar einen deutschen Pass. Die älteren beiden Mädchen sind in Deutschland in den Kindergarten gegangen. Sebilje selbst war noch klein als ihre Familie nach Deutschland kam. Ursprünglich kamen sie aus der Nähe von Mitrovica und beschlossen zu flüchten, nachdem der Vater bedroht worden war.

Sebilje lebt mittlerweile in einem Neubau in Pristina. Ura II bezahlt die Miete noch bis einschließlich April. Auch einen Schrank, ein Sofa und eine kleine Küche haben sie bekommen. Betten gibt es weder für die Eltern noch für die Kinder. Zwei Mal wurde es pro Kind von Ura II 50 € als Starthilfe ausgezahlt. Die Möglichkeit auf eigenes Einkommen oder Aussichten auf eine halbwegs geregelte Arbeit sehen sie im Kosovo nicht. Sebilje hat schon versucht, Arbeit zu finden, wurde aber nicht einmal als Putzfrau angestellt. Unterstützung bei der Jobsuche haben sie nie bekommen. Die Vermieterin hat bereits angekündigt, dass sie im April aus der Wohnung raus müssen, selbst dann, wenn sie noch Miete zahlen können. Die Vermieterin hat Sorge, Ärger zu bekommen, weil sie an Roma vermietet. Das Haus ist noch sehr neu. Es ist noch nicht richtig verputzt und die Wände sind feucht. Bis vor kurzem hatte die Familie zwei Räume zur Verfügung. Mittlerweile wurde aber der größere Raum verputzt und schön gemacht, worauf die Vermieterin Sebilje und ihrer Familie verbot diesen Raum weiterhin zu benutzen. Seitdem lebt die Familie in nur einem Zimmer, von ca. 20 m2. Ansonsten ist die Wohnung in Ordnung und es gibt sogar ein Badezimmer. Geheizt wird mit einem Holzofen.

Zu essen gibt es nur das Billigste. Etwas Brot, Brotsuppe oder Spaghetti mit Ketchup. Ab und zu kaufen sie Salami. Frisches Obst hatten sie schon seit Wochen nicht.

Der Gesundheitszustand von Gani Rama ist sehr schlecht. Er berichtet, dass er morgens so viel husten muss, bis er sich übergibt. Bei seiner Entlassung aus der Spezialklinik in Bayern wurde ihm eine weiterführende sechsmonatige Behandlung seiner Tuberkulose verschrieben. Diese Behandlung konnte er nach seiner Abschiebung nicht fortsetzen. Es besteht die Gefahr, dass seine Tuberkulose wieder ausbricht, und er in den beengten Verhältnissen seine ganze Familie ansteckt.

Die Eltern fühlen sich im Kosovo überhaupt nicht sicher. Gani Rama wurde mehrmals bedroht und sogar schon verprügelt. Ihm wurde von einem Nachbarn gedroht: “Sehe ich dich nochmal auf der Straße bringe ich dich um”. Seitdem traut sich niemand mehr richtig aus dem Haus. Gani ging zwar zur Polizei, bekam dort aber keine Hilfe, sondern nur Drohungen, dass man IHN einsperren werde, wenn er sich nochmal beschwert. Die älteste Tochter wird von Bekannten abgeholt und zur Schule gebracht, weil sich die Eltern nicht selber trauen sie zu bringen.

Die Familie will weg aus Kosovo, egal wohin, aber am liebsten wieder nach Deutschland.

Tag 5

Gjakova

Etwas abseits gelegen von Gjacova gibt es eine Roma-Siedlung neben einer Mülldeponie. Die letzten Kilometer müssen wir durch Schneematsch und Schlamm über unbefestigte Straßen fahren. Einige Kinder sprechen uns zur Begrüßung auch auf Deutsch an. Hier leben mehrere abgeschobene Familien. Erst vor wenigen Monaten wurden hier mitten im Nirgendwo einige Häuser für Roma-Flüchtlinge gebaut. Aber lange nicht für alle. Diejenigen, die kein Haus bekommen haben, leben weiterhin in selbstgebauten Baracken. Die Menschen hier sind sehr verzweifelt. Es herrscht große Armut, Hunger und Perspektivlosigkeit.

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Straße durch die Romasiedlung in Gjakova … … hier herrscht große Armut und die Menschen freuen sich über ein Packet Mehl, Öl oder Waschpulver.

 

Wir fahren weiter direkt nach Gjakova, um uns auf die Suche nach einer Familie zu machen, die erst vor kurzem hierher abgeschoben wurde.

Familie Meta

Familie Meta kam Mitte 2001 nach Deutschland und wurde am 7.12.2011 für die Familie völlig überraschend abgeschoben, nach über 10 Jahren Duldung. Für die Kinder sei es ein sehr schlimmes Erlebnis gewesen. Um 1 Uhr nachts seien geschätzt 20 Polizisten in ihre Wohnung gekommen und haben sie zum Packen aufgefordert. Die Kinder hätten die ganze Zeit geweint. Im Kosovo haben sie keine Verwandten. Geschwister von Herrn und Frau Meta leben alle in Deutschland.

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Nur einen Monat nach ihrer Abschiebung lebt die Familie in der Wohnung wie im Gefängnis aus Angst vor ihren Nachbarn in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen verstehen die Kinder weder Serbisch noch Albanisch

 

VVor ihrer Flucht hat die Familie auch in der Nähe von Gjakova gelebt. Dorthin können sie aber nicht zurück. Es gibt dort nichts mehr und der Vater fürchtet von seinen früheren albanischen Nachbarn wieder erkannt zu werden, die ihn damals dazu brachten mit seiner Familie zu flüchten. Die Jüngste der sechs Kinder zwischen 9 und 20 Jahren ist in Deutschland geboren.

Außer der Miete für die Wohnung in Gjakova, die auf sechs Monate befristet ist, gibt die Familie an, keinerlei Unterstützung für den Neustart bekommen zu haben. Drei Nächte, bis sie diese Wohnung bekommen hatten, durfte die Familie in einem Hotel nahe dem Flughafen bleiben. Dort waren sehr unhygienische Bedingungen, und sie wollten so schnell wie möglich dort weg. Ein ehemaliger Nachbar in Deutschland hat die Waschmaschine der Familie für 150€ verkauft und das Geld an sie gesendet. Ohne dieses hätten sie überhaupt kein Geld für den Anfang gehabt. Die Wohnung ist in einem akzeptablen Zustand. Es gibt ein Badezimmer mit fließendem Wasser und die Möglichkeit mit Strom zu heizen und zu kochen. Aber für eine achtköpfige Familie ist sie mit einem etwa 25 m2 großen Zimmer einfach viel zu klein!

Herr Meta hatte bereits in Deutschland aufgrund seiner Erkrankungen und geringen Qualifikationen, die er zu verbessern keine Chance hatte, keine Arbeit und weiß auch nicht, wie er hier in Kosovo Geld verdienen kann. Er sieht keinerlei Perspektive. In Deutschland sind alle Kinder zur Schule gegangen. Sie sprechen alle fließend Deutsch und kein Albanisch. Seit sie im Kosovo leben, verlassen sie kaum das Haus. Der jüngste Bruder wurde bereits von fremden Kindern geschlagen und seitdem traut sich keiner mehr raus.

Am 31.12.2011., also nur wenige Wochen nach der Abschiebung, gab es eine überfallartige Hausdurchsuchung von schwer bewaffneten Polizisten. Angeblich gab es den Hinweis, dass die Familie Waffen besitze. Gefunden wurde nichts, aber der zusätzliche Schock und die Verunsicherung sitzen tief, besonders bei den Kindern.

Die Eltern und die Kinder fangen immer wieder an zu weinen, wenn sie über ihre Abschiebung sprechen. Am liebsten wollen sie so schnell wie möglich wieder zurück, und ihr Anwalt in Deutschland sucht nach Möglichkeiten und macht der Familie Hoffnung. Auch in Ihrem Heimatort Otterndorf bei Cuxhaven gibt es immer noch großen Widerstand gegen die Abschiebung der Familie, und auch der Bürgermeister setzt sich für eine Wiedereinreise ein. Laut ihrem Anwalt gibt es Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Abschiebung.
Serbien

Am Folgetag geht es früh auf den Weg weiter nach Serbien. Aber es gibt Probleme an der Grenze. Das Auswärtige Amt warnt vor der Grenzüberquerung zwischen Kosovo und Serbien, und es wird von Massenprotesten an der Grenze berichtet. LKWs dürfen wieder nicht die Grenze überqueren und stehen Schlange.

Einige hundert Meter vor dem Grenzübergang müssen wir durch eine Menschenmenge fahren, die uns argwöhnisch beobachtet, während wir passieren. Tausende haben sich hier versammelt um die Unabhängigkeit des Kosovo zu demonstrieren. Glücklicherweise weckt unser deutsches Kennzeichen nicht den Zorn der Menge, und man macht uns Platz zum Vorbeifahren. Ein serbisches Kennzeichen wäre in diesem Moment wohl eher ungünstig. Nach wie vor, ist das Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo angespannt, und der Konflikt eskaliert immer wieder in Gewalttätigkeiten bis hin zu bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen.

Tag 6

Bujanovac

In dieser serbischen Stadt nahe der kosovarischen Grenze gibt es ein großes Flüchtlingslager, das vor allem von Roma bewohnt wird, die aus dem Kosovo flohen. Mehr als 10 Jahre nach ihrer Flucht sind die hier lebenden Familien gezwungen in dem maroden Gebäudekomplex zu leben, da sie durch Diskriminierung und Armut nicht schaffen sich aus diesen Lebensverhältnissen zu befreien.

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Gemeischafts Waschräume und Flur im Flüchtlingslager in Bujanovac

 

Familie E

Die sechsköpfige Familie lebt in einem der Zimmer des Flüchtlingslagers, das mit einem provisorisch eingebauten Ofen beheizt wird. Wasch- und Toilettenräume müssen gemeinschaftlich mit den anderen Familien genutzt werden und sind in einem ziemlich ekelhaften Zustand. Die Fliesen sind kaputt und überall ist Schimmel. Verwilderte Hunde streunen durch die Anlage, und es stinkt nach Schimmel und Urin.

Keiner der hier lebenden Menschen hat eine feste Arbeit. Herr E., der Familienvater, versucht mit Jobs etwas dazu zu verdienen. Meist als Autoputzer. Vom Staat gibt es keine Unterstützung. Nur von einer Hilfsorganisation bekommt jede Familie pro Woche ein Brot. Auch Materialien für den Schulbesuch der vier Kinder haben sie bekommen. Die meisten Angehörigen der Familie leben im Ausland, viele in Deutschland. Auch sie würden gerne weggehen, sehen aber keine Möglichkeit dies zu finanzieren.

Tag 7
Subotica

Wie im Kosovo ist auch in Serbien die Mehrheitsbevölkerung eher arm, und Arbeitslosigkeit ist ein großes Problem. Roma als Minderheitenangehörige, oft mit einem Fluchthintergrund und ohne gute Bildung oder Qualifikation, haben es in einer solchen Gesellschaft besonders schwer und landen so meist zwangsläufig am unteren Rand. Auch in Subotica, einer Stadt im Norden Serbiens, leben Roma, die aus Kosovo geflohen sind und nun versuchen irgendwie über die Runden zu kommen.

Familie H.

Die Familie flüchtete nach dem Krieg aus Kosovo Polje nach Serbien und kaufte ein kleines Haus mit drei Zimmern am ländlichen Rand von Subotica. Hier leben sie seitdem, 14 Personen von den Großeltern bis zur Enkelgeneration. Das Haus ist offensichtlich baufällig. Die Wände und Decken sind so schief, dass man sich fürchten muss, es könne über einem zusammenbrechen. Fließendes kaltes Wasser gibt es sowohl im Haus als auch draußen. Eine Toilette und auch die Waschgelegenheiten befinden sich im Freien.

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auch im Winter muss sich im Freien gewaschen werden Dieses Haus konnte sich die Familie nach ihrer Flucht grade noch leisten

 

Frau H. ist Diabetikerin und hat hohe Kosten für Medikamente, die sie komplett aus eigener Tasche bezahlen muss. Ihre Rente reicht nicht einmal um den Strom zu bezahlen. Die einzige Geldquelle für die Familie sind Gelegenheitsjobs der drei erwachsenen Männer in der Familie. Insbesondere durch ihren Sohn Nuki, der mit einem Pferdekarren gegen Bezahlung Sachen transportiert. Die zwei jüngeren Kinder gehen zur Schule.

Familie J.

Auch Familie J. flüchtete aus Kosovo und zog nach Subotica, wo ihr Onkel das Haus mit drei Zimmern besaß, in dem sie jetzt mit 16 Personen leben. Auch dieses Haus ist offensichtlich baufällig. Fließendes Wasser gibt es nur draußen. Dort gibt es auch ein Loch im Boden, das als Toilette fungiert.

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Eine angemessene Instandhaltung kann sich die Familie nicht leisten Die Roma die hier wohnen haben zum Leben nur das nötigste

 

Keins der neun Kinder im schulfähigen Alter geht zur Schule. Als Grund gibt man an, es sei nicht genug Geld da um das zu bezahlen. Es gibt zurzeit nur zwei erwachsene Söhne in der Familie, die momentan durch Gelegenheitsjobs versuchen, Geld zu verdienen. Der Familienvater sitzt gerade im Gefängnis wegen “Kindesentführung”. Er hatte ein Roma-Kind in der Stadt getroffen und spontan adoptiert, als er erfuhr, dass der Junge in einem Heim lebt, wo es ihm nicht gut ging. Er nahm ihn mit nach Hause ohne dabei an rechtlichen Konsequenzen zu denken.

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Geschirr, Möbel, Toilettenhäuschen … alles hier ist irgendwie alt oder provisorisch repariert

 

Schlussfolgerung

Angesichts dieser existenzbedrohenden Lage in Kosovo und Serbien ist es, unverantwortlich und unmenschlich Roma zu einem Leben in diesen Ländern zu zwingen, in denen sie unerwünscht sind und in denen sie demzufolge auch keine Aussicht auf ein menschenwürdiges Leben haben. Den Roma, die hier bei uns in Deutschland Schutz gesucht haben, und die hier oft schon seit vielen Jahren leben, sollte dieser Schutz sowie eine uneingeschränkte Teilhabe an unserer Gesellschaft auch gewährt werden. Deutschland muss hier seiner auch historischen Verantwortung gegenüber den Roma nachkommen, indem es zumindest die Lage dieser Menschen durch Abschiebungen nicht noch dramatisiert. Ein sensibler Umgang mit den Angehörigen dieser Jahrhunderte lang diskriminierten und verfolgten Minderheit sollte selbstverständlich sein!

Durch die Abschiebungen droht nicht nur den Familien Armut und Diskriminierung, sondern es droht auch eine Zunahme an roma-feindlichen Gedankengut in der Bevölkerung der betroffenen Länder, da die vielen unfreiwilligen Rückkehrer als gesellschaftliche und finanzielle Belastung empfunden werden. Die Roma würden dann leicht zum Sündenbock für gesellschaftliche und staatliche Missstände sowie zur Zielscheibe für rassistische „Lösungsvorschläge“ wie sie momentan bereits in Ungarn auftreten. Hierzu durch verantwortungsloses Abschieben beizutragen wäre, besonders vor dem Hintergrund der Verfolgung und Ermordung der Roma im Nazi-Regime, unerträglich!

Es wäre auch nicht das erste Mal, dass es bei rassistischen Konflikten in dieser Region zum Äußersten kommt. 1999 wurden mehr als 100.000 Roma vertrieben. Sie sind nicht ohne Grund geflüchtet. Viele wurden ermordet, verschleppt, vergewaltigt oder bedroht. Fast jede der Familien, die jetzt eine Abschiebung befürchten müssen, kann eine schreckliche Geschichte aus dieser Zeit erzählen. Zumindest für die Generation der hier aufgewachsenen Kinder wäre ein besseres Schicksal möglich, wenn Deutschland ihren Familien ein Bleiberecht einräumen würde.