Flucht aus Transnistrien. Zum Widerstand der rumänischen Roma

Flucht aus Transnistrien. Zum Widerstand der rumänischen Roma-

Flucht aus Transnistrien. Zum Widerstand der rumänischen Roma

1942 begann die rumänische Regierung unter Marschall Ion Antonescu, Roma nach Transnistrien zu deportieren. Ihr Widerstand dagegen nahm verschiedene Formen an, bewaffnete, aber vor allem nicht bewaffnete. Die Quellenlage ist hier jedoch, wie generell zur Verfolgung der Roma in der Zeit des Holocaust, schlecht und die Erforschung dürftig.

Die Deportationen der rumänischen Roma begannen 1942 zunächst mit der massenhaften Deportation der nicht-sesshaften Roma. Später im Jahr begann die Regierung die sesshaften Roma zu deportieren, die als vorbestraft oder arbeitslos kategorisiert worden waren. Davon ausgenommen sollten generell Roma sein, die Kriegsdienst leisteten, und ihre Familien. In der Realität herrschte jedoch eine große Willkür bei den Deportationen. Wenn zum Beispiel eine Familie, die zur Deportation vorgesehen war, nicht aufzufinden war, wurde eine andere genommen. Vielfach wurden auch die Familien von Roma deportiert, die Kriegsdienst leisteten und somit nicht zu Hause waren.

Die Deportations-Pläne hielt die Regierung weitgehend geheim. Die lokalen Behörden wussten nur so viel wie nötig war, um ihre jeweiligen Part bei der Durchführung der Deportation zu erfüllen. Zudem wurden Gerüchte in die Welt gesetzt, wie etwa, die Menschen bekämen in Transnistrien Hof und Land, von dem sie leben könnten. Diese Strategie sollte Widerstand und Flucht der Roma verhindern.

Petitionen gegen diese staatliche Verfolgung und die dabei eingesetzte Gewalt und Willkür waren die ersten Akte gewaltfreien Widerstands von Roma. Die Petitionen richteten sich häufig an Antonescu selbst, also den Staatsführer, der die Deportationen angeordnet hatte oder den König. Frauen, die Petitionen schrieben, richteten sich häufig an die Königinmutter. Die Petitionen stammen sowohl von Menschen, die deportiert worden waren, als auch von Roma, deren Angehörigen nach Transnistrien geschickt worden waren. Aus diesen Petitionen wird gleichzeitig ersichtlich, dass die Deportierten häufig weder arm noch kriminell waren.

So schrieb der Schlosser Grigore M. Dobre an Antonescu:

[…] Am 9. September dieses Jahres wurde meine Schwiegermutter Neacșa Drăgan, 88 Jahre alt, auf Anordnung der Polizei von Călărași ohne Vorankündigung aus ihrem Haus geholt und nach Transnistrien geschickt. Ich habe nicht die Absicht, mich den Maßnahmen der Behörden zu widersetzen, weil ich immer ein gesetzestreuer Mensch gewesen bin, aber ich bin der Meinung, dass eine Ungerechtigkeit begangen wurde, als eine 88-jährige Frau gewaltsam aus ihrem Haus entfernt wurde, eine Frau, die Eigentum in Călărași besitzt, die also keine Bettlerin ist und die in ihrem Alter in Transnistrien nicht von Nutzen sein könnte, zumal sie aufgrund ihres hohen Alters nicht mehr gehen kann. […]

Viele der Petitionen stammen von Roma, die Kriegsdienst leisteten, und deren Familien deportiert worden waren, als sie an der Front waren. Petitionen stammten auch von Menschen, die noch nicht deportiert worden waren. Die meisten Petitionen hatten keinen Erfolg.

Die Bedingungen in Transnistrien waren grausam: Zwangsarbeit, Hunger, Kälte, Typhus und anderen ansteckende Krankheiten, Gewalt der Bewacher bis hin zu Massen-Hinrichtungen. Viele Roma begingen in diesem Kontext widerständige Handlungen, die auf den ersten Blick banal erscheinen, sie jedoch das Leben kosten konnten. „Illegal“ Essen oder Feuerholz zu besorgen war für das Überleben notwendig. Manche wurden, wenn sie erwischt wurden, erschossen. Anderen gelang es, Wachen zu bestechen, damit sie in andere Dörfer gehen konnten, um dort bei der lokalen Bevölkerung ihre Kleidung gegen Essen zu tauschen.

Eine andere Widerstandshandlung war die Verweigerung, Zwangsarbeit zu leisten und entsprechenden Befehlen Folge zu leisten. Ein generelles Problem für den Staat war, dass die Verwaltung in Transnistrien unterbesetzt und überfordert war. Sie verfügte über nicht genügend Ressourcen und Mitarbeiter, um die Roma effektiv zu überwachen. Der Leiter der Arbeitsabteilung des Gouvernements Transnistrien empfahl dem Gouverneur strengere Maßnahmen gegen Arbeitsverweigerer. An einigen „Wiederholungstätern“ sollte ein Exempel statuiert werden, indem man sie erschösse.

Eine wichtige Widerstandshandlung war die Flucht aus Transnistrien. Viele flohen in kleineren Gruppen, manche auch allein. Die Flucht gelang einigen. Manchmal spielte Glück eine Rolle, manchmal erhielten sie Unterstützung. Der Überlebende Ioan Marin sagt über die Flucht seines Bruders Constantin, diesem sei die Flucht mit Hilfe von Soldaten geglückt, die Constantin eine Militäruniform gaben und ihm gefälschte Papiere anfertigen ließen. Ob er sie dafür bezahlt hat oder sie es aus Brüderlichkeit taten, ist nicht klar. Jedoch kam es öfter vor, dass Zugführer oder Soldaten für entsprechende Unterstützung bezahlt wurden. Im Interview mit dem Historiker Furtună

sagte die Überlebende Lențica Dura über ihren Vater:

Alle seine vier Brüder wurden nach Transnistrien geschickt, einschließlich ihrer Frauen und Kinder. Er hatte Glück. Ihm gelang die Flucht und er ließ uns dort zurück […] Wir hatten einen Onkel, der in einem Dorf in der Nähe von Pietriș lebte, wo er seine Kühe und Ochsen verkaufte. Mit dem Geld kehrte er nach Bug zurück, damit auch wir fliehen konnten, denn wir mussten Soldaten bestechen, um über die Felder zu entkommen.

Ihr Vater war per Zug geflohen. Er gab dem Zugführer Geld und der versteckte ihn. Er hatte es fast bis nach Hause geschafft, als die Polizei ihn aufgriff und ihn fast zu Tode prügelte. Aber sie ließen ihn dann doch laufen. Er schaffte es, Geld zu besorgen und kehrte nach Transnistrien zurück, um seine Familie zu holen.

Im September 1942 wurde angeordnet, dass alle, die versuchen, aus Arbeits- oder Konzentrationslagern zu fliehen, nach Abgabe von Warnschüssen erschossen und die Gefangenen über den Bug in die Ukraine transportiert werden sollen. Anfang 1943 wurde ein weiterer landesweiter Zensus der Roma-Bevölkerung angeordnet, um Geflüchtete zu identifizieren und sie sofort festzunehmen.

Oft wurden die Geflüchteten verhaftet und zurück nach Transnistrien gebracht, wo sie disziplinarischen Maßnahmen unterworfen wurden. Dennoch flohen einige erneut. In Golta wurde schließlich ein Straflager eingerichtet, in das die Geflüchteten interniert wurden. Manchen war der Tod lieber als zurück nach Transnistrien zu müssen. Die entflohene Rozalia Dondoczi wurde in Rumänien am 2. August 1943 von der Gendarmerie verhaftet und sprang dabei vor einen fahrenden Zug. Sie wurde verstümmelt und starb noch an Ort und Stelle.

Der Historiker Furtună hat nur einen Fall von bewaffnetem Widerstand gefunden. Im Jahr 1942 griff eine Gruppe von 50-60 Roma aus dem Dorf Preajba die Gendarmen an, die Petre Moarte, einen Rom aus ihrer Gemeinschaft, verhaftet hatten, um ihn zu deportieren. Sieben Roma, die als Anführer der Rebellion galten, wurden verhaftet und nach Transnistrien deportiert.

Dass andere Akte gewaltsamen Widerstands nicht bekannt sind, bedeutet nicht, dass es sie nicht gab. Es bedeutet, dass sie nicht dokumentiert sind oder dass sie dokumentiert, aber das entsprechende Archivmaterial nicht gesichtet wurde. Es bedeutet auch, dass die meisten Zeitzeug:innen nie befragt wurden.

Literatur:

Chiriac Bogdan: Between survival and noncompliance: Roma ‘acts of resistance’ in Transnistria during World War II; in: Evelin Verhás u.a., Roma Resistance during the Holocaust and in its Aftermath. Collection of Working Papers, Budapest 2018.

Adrian-Nicolae Furtună, From Roma Slavery to World War II – Roma Resistance in Romania; in: Anna Mirga-Kruszelnicka and Jekatyerina Dunajeva (Hg.), Re-thinking Roma Resistance throughout History: Recounting Stories of Strength and Bravery, Budapest 2020.

Lies auch den ersten Teil zur Deportation nach Transnistrien:

https://ran.eu.com/porjamos-und-widerstand-die-deportation-der-rumanischen-roma-nach-transnistrien/