Die „Löwen-Brigade“ – Widerstand von Roma und Sinti gegen den italienischen Faschismus
Die „Löwen-Brigade“ – Widerstand von Roma und Sinti gegen den italienischen Faschismus
In Italien leben schon seit Jahrhunderten Roma und Sinti. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Geschichte des Landes, die in den Erzählungen oft verschwiegen wird. In Süditalien waren vor allem Roma ansässig, Sinti eher in Zentral- und Norditalien. Um 1900 versuchten viele Roma und Sinti aus anderen Regionen die Grenze nach Italien zu überqueren, während die Regierung ihr Möglichstes tat, das zu verhindern. Besonders mit der faschistischen Machtübernahme 1922 wurden viele in Anrainerstaaten abgeschoben. Schon länger wurden die Bewohner:innen als „Z*-Problematik“ verhandelt und ihre ethnische Einordnung als Feindbild offensichtlich, wie Forschungen zu Ausweisungen und strukturellem Rassismus in Archiven zeigen.
Ab 1938 internierte die Regierung vermehrt Oppositionsgruppen. Das bedeutete eine Festnahme in Konzentrationslagern oder Zwangsaufenthalte in bestimmten Gebieten. Die „Rassen“-Politik war auf die jüdische Bevölkerung fokussiert und umfasste im Wortlaut nur diese. Das führte dazu, dass die Eliminierung weiterer Gruppen fälschlicherweise negiert wurde. Die Sinti und Roma wurden zwischen 1922 und 1938 mit einer Ausweisungspolitik konfrontiert, die ab 1938 vermehrt als „ethnische Säuberung“ und Zwangsumsiedlung durchgeführt wurde. Seit September 1940 bis 1943 wurde die von der Regierung angeordnete Internierungspolitik immer weiter verschärft.
Ab Herbst 1943 tauchten die italienischen Sinti unter und schlossen sich den Brigaden der Partisan:innen an. Zu den Partisan:innen gehörte auch ein Bataillon, das ausschließlich aus Sinti bestand: die Leoni di Breda Solini.
“Gnugo” erzählte noch Jahre später die Geschichte dieser Partisan:innen, zu denen auch seine Familie gehörte. Giacomo “Gnugo” De Bar wurde als Kind im September 1940 mit seiner Familie im Konzentrationslager von Prignano sulla Secchia in der Provinz Modena inhaftiert. Nach dem 8. September 1943, mit dem Waffenstillstand, gelang seiner Familie die Flucht aus dem KZ, zusammen mit allen anderen zurückgebliebenen Familien.
Die „Löwen-Brigade“ war an der Grenze zwischen der Emilia und der Lombardei aktiv. Sie waren nach drei Jahren Haft aus dem Lager geflohen. Ihren Namen und ihre Bekanntheit erhielten die Widerstandskämpfer:innen wegen einer Aktion, in der sie die Reichspatrouille entwaffneten.
„Sie waren in die Herzen der Menschen als Helden eingegangen, auch, weil sie das Minimum an notwendiger Gewalt anwandten”, sagt Gnugo De Bar in seinem Buch “Strada, Patria Sinta” (Fatatrac, 1998), „unter uns Sinti hat es nie den Willen zum Krieg gegeben, den Instinkt, einen Menschen zu töten, nur weil er ein Feind ist. Das wusste auch ein Faschist aus Breda Solini, der sich während der Befreiung mit einem Waffenarsenal in seinem Haus verbarrikadierte und drohte, jeden zu erschießen, der sich ihm näherte, oder sich selbst zu töten, indem er das ganze Haus in die Luft sprengte: »Ich kapituliere nur vor den Löwen von Breda Solini«. So ging er mit meinen Eltern, denen er sich ergab, aber dann wurde er trotzdem von anderen Partisanen übernommen, die ihn in einen Keller sperrten und verprügelten”.
Diese Roma und Sinti waren Teil der Widerstandsbewegung in Norditalien:
Giuseppe “Tarzan” Catter, Sinto-Partisanenheld, von den Faschist:innen im Gebiet Imperiese getötet, sein Kommando wurde nach ihm benannt, ausgezeichnet für Tapferkeit
Walter “Vampa” Catter, Sinto-Partisanenheld, Märtyrer von Vicenza, erschossen am 11. November 1944
Lino “Ercole” Festini, Sinto-Partisanenheld, Märtyrer von Vicenza, erschossen am 11. November 1944
Silvio Paina, Sinto-Partisanenheld, Märtyrer von Vicenza, erschossen am 11. November 1944
Renato Mastini, Sinto-Partisanenheld, Märtyrer von Vicenza, erschossen am 11. November 1944
Giacomo Sacco, Sinto-Partisan, nimmt an der Befreiung von Genua teil
Giuseppe “Tzigari” Levakovich, Sinto-Partisan in der Brigade “Osoppo” in Friaul-Julisch-Venetien
Rubino Bonora, Sinto-Partisan in der Division “Nannetti” in Friaul-Julisch-Venetien
Amilcare “Corsaro” Debar, Sinto-Partisan, Staffel und dann Partisanenkämpfer in der 48. Garibaldi-Brigade “Dante Di Nanni”
Vittorio “Spatzo” Mayer, Sinto-Partisan in Val di Non
Mirko Levak, Roma-Partisan, floh aus dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und schloss sich den Partisan:innen an
Fioravante Lucchesi, Sinto-Partisan in der Division Armando von Modena
Quellen (italienisch):
https://www.socialismoitaliano1892.it/2018/04/23/i-leoni-di-breda-solini/
https://ilmanifesto.it/la-brigata-dei-leoni-i-sinti-e-i-rom-nella-resistenza-italiana/
http://sucardrom.blogspot.com/2014/04/liberazione-sinti-e-rom-partigiani.html
https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Manuskripte/Manuskripte_26_Faschismusstudie.pdf
weitere Informationen (englisch):
https://www.romasintigenocide.eu/en/teacher/RomaSinitAI2014E.pdf