Ágnes Daróczi – Roma-Menschenrechtlerin in Ungarn

Ágnes Daróczi

Ágnes Daróczi – Roma-Menschenrechtlerin in Ungarn

Ágnes Daróczi, ungarische Romni, setzt sich seit 50 Jahren unermüdlich für die Rechte von Roma ein.

Geboren wurde Ágnes Daróczi am 18. November 1954 in Berettyóújfalu im Osten Ungarns an der Grenze zu Rumänien. Bereits mit 17 Jahren nahm sie an einem Wettbewerb für Gedichte und Prosa teil und belegte den vierten Platz. Sie trug ein Gedicht des Dichters Károly Bari auf Romanes vor. Im folgenden Jahr schloss sie die Schule ab und  studierte an der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Eötvös Lóránd Universität in Budapest. Ihre erste Arbeitsstelle erhielt sie am Ungarischen Institut für Kultur und Kunst.

Daróczi förderte die Arbeit von Künstler_innen aus der Roma-Community in einer schwierigen Zeit, als Roma nicht als nationale Minderheit anerkannt waren und ihre Kunst in Ungarn nicht ernst genommen wurde. 1979 organisierte sie die erste Nationale Ausstellung für bildende Kunst von autodidaktischen Roma-Künstlern. Später folgten noch zwei weitere nationale Ausstellungen.

Über die damalige Situation sagt sie: So begabt die betreffenden Roma-Maler und Holzschnitzer auch waren, sie waren kaum bekannt. Wir versuchten, ihnen nicht nur nationale, sondern sogar internationale Aufmerksamkeit zu verschaffen. Den Behörden gefiel nicht, was wir taten, und sie nannten es “nationalistische Intrigen”. Wir wollten die Art und Weise, wie die Öffentlichkeit die Roma sah, ändern und sie von alten Stigmata befreien…

Die Verfolgung der Roma in Ungarn, das seit 1941 mit dem Deutschen Reich verbündet war, ist kaum bekannt und noch weniger erforscht. Daróczi hat zusammen mit ihrem Mann Dr. János Bársony jahrzehntelang zum Holocaust gegen Roma (Porajmos) gearbeitet und das Buch Pharrajimos -The Fate of the Roma During the Holocaust über den Völkermord an den ungarischen Roma während des Zweiten Weltkriegs verfasst, das auf Englisch übersetzt wurde. Daróczi und Bársony haben grundlegend zum Holocaust in Ungarn gearbeitet. Sie haben über 3000 Interviews geführt und mindestens 23 Orte des Massenmords und 55 Standorte von Zwangsarbeitslagern aufgedeckt. Aus dieser Arbeit ist 2004 eine Ausstellung und schließlich das Buch entstanden. Sie hat den Porajmos zumindest etwas in das Bewusstsein der ungarischen Öffentlichkeit gebracht. So wurde im Jahr 2006 ein Mahnmal für die im Holocaust ermordeten Roma in Budapest errichtet (sechs Jahre vor dem in Berlin).

Ihre politische Arbeit brachte Daróczi im Jahr 1981 auch nach Göttingen. Sie gehörte dort zu den 300 Delegierten aus 22 Ländern, die am Dritten Welt-Roma-Kongress teilnahmen. Der Kongress fand nicht zufällig in dem Land statt, von dem der Porajmos ausgegangen war. Der Holocaust war auch diesmal wieder ein wichtiges Thema und die Anerkennung des rassistisch motivierten Völkermords wurde ein Jahr später endlich von der deutschen Bundesregierung als solcher anerkannt.

2021-12-13 14_27_37-Francia Nagykövetség előtt tiltakozás(3._5), Daróczi Ágnes - YouTubeRassismus gegen Roma ist in Ungarn teil des Mainstreams. Angestachelt wird er von rechten Politikern, allen voran dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Rechte Parteien (Fidesz und Jobbik) sind die stärksten des Landes. In diesem politischen Klima kommt es regelmäßig zu rassistisch motivierter Gewalt.

 

Im Februar 2009 warfen ungarische Neonazis Molotowcocktails auf das Dach des Hauses einer Roma-Familie in Tatárszentgyörgy. Als die fünfköpfige Familie floh, schossen sie. Der Vater Robert Csorba, 27 Jahre alt, und der fünfjährige Sohn Robika wurden durch Schüsse getötet, die siebenjährige Schwester Bianka überlebte mit Schussverletzungen. In den Jahren 2008 und 2009 kam es zu einer Reihe ähnliche rechtsextremer Anschläge gegen Roma in Ungarn. 2010 führte Ágnes Daróczi ein Projekt durch, das Häuser für Roma-Familien wiederaufbaute, deren Angehörige bei diesen Anschlägen ermordet und deren Häuser dabei zerstört wurden. Zwölf Häuser wurden so aufgebaut oder wieder wohnbar gemacht.

Ágnes Daróczi arbeitet unermüdlich gegen Diskriminierungen fort, nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch international gehört sie zu den wichtigsten Menschenrechtler_innen der Roma.

Im Jahr 2010 war sie Mitbegründerin der Stiftung Romano Instituto und ist ihre Direktorin. Ziel der Stiftung ist es, die Emanzipation und Inklusion der Roma durch wissenschaftliche, künstlerische und pädagogische Forschung und Publikationen zu unterstützen sowie den öffentlichen Diskurs und das öffentliche Denken zu prägen und zu beeinflussen.